580 Schweizer
Unternehmen versuchen in China ihr Glück. Sie
profitieren von guten Beziehungen, vom hohen Ansehen der
Schweiz in China und von einem Markt mit 1,3 Milliarden
Menschen, die alle von einem besseren Leben träumen. Auf
den Spuren der Schweiz im Reich der Mitte: eine Reise
mit Pascal Couchepin.
Beflaggung während eines Schweizer
Staatsbesuchs am Tiananmen-Platz in
Beijing.
PCPC fliegt via
Kopenhagen. Le Président de la Confédération Pascal
Couchepin – den das interne Protokoll mit dieser
neckischen Abkürzung nennt – kann zu seinem
Arbeitsbesuch in China nicht direkt aus der Schweiz
anreisen. Denn die Swiss bietet seit Oktober keine Flüge
nach Beijing mehr an.
«Wir schütteln hier in
China alle den Kopf über diesen Entscheid», sagt
Christian Gürtler, der Präsident der Handelskammer
SwissCham China. Und die hochkarätige
Wirtschaftsdelegation, die den Bundespräsidenten
begleitet, schliesst sich seinem Unverständnis an. Denn
das wichtigste Ergebnis des Besuchs ist die Anerkennung
der Schweiz als offizielles Reiseland: Die Chinesen
brauchen in Zukunft keine Einladung mehr, um auf dem
Pilatus zu heiraten, aufs Jungfraujoch zu fahren oder
auch in Genf nach ihrem Geld zu schauen.
Die
Tourismusbranche hofft, dass sie die ausbleibenden
Japaner ersetzen; bis 2015 soll die Zahl ihrer
Übernachtungen von 120 000 auf eine Million ansteigen.
Aber fliegen müssen sie mit SAS, Lufthansa oder dereinst
auch mit einer chinesischen Airline, wie PCPC maliziös
anmerkt.
Johann Niklaus
Schneider-Ammann
«Natürlich wollen die Chinesen
immer abkupfern» Johann Niklaus
Schneider-Ammann, FDP-Nationalrat, Präsident des
Branchenverbandes Swissmem und Vizepräsident von
Economiesuisse, zählt zu den erfahrensten
Schweizer Unternehmern in China. Seine
Ammann-Gruppe verkauft seit 1995 Anlagen für den
Strassenbau, die Werkzeugmaschinenspezialistin
Mikron, die er 2003 übernahm, beschäftigt in
Suzhou bei Shanghai 1500 Leute.
BILANZ: Ein Kollege von Ihnen sagt
als Besitzer einer weltweit führenden
Werkzeugmaschinenfirma, er erhalte von seinen
Leuten in China dieselbe Qualität zu einem
Sechstel des Lohnes. Es sei deshalb nur eine
Temperamentsfrage, wie lange Unternehmer wie er
noch in der Schweiz blieben. Johann
Schneider-Ammann: Es ist auch eine
Temperamentsfrage, ob man in der Schweiz noch
etwas erreichen will. Richten Sie das diesem
Kollegen aus. Wer hier bestehen will, kann
bestehen. Wir finden immer Auswege, indem wir
die Kosten senken und die Innovation
vorantreiben.
Sie senken die Kosten
aber auch, indem Sie Arbeiten nach China
verlagern. Wir beschäftigen bei Ammann
20 Leute in China, bisher vorwiegend für
Projektion und Verkauf. Aber wir evaluieren
gegenwärtig drei Standorte für ein eigenes Werk.
Im Frühling wollen wir den Grundstein legen und
ab 2006 mit 120 Leuten beginnen. Unsere Anlagen
werden vor Ort montiert, und wir brauchen dafür
«local content», gleich wie in Deutschland, das
dafür einen Anteil von 60 Prozent vorschreibt.
Es ist aber unsere Politik, dass weiter aus
Langenthal kommt, was wir als «noble parts»
bezeichnen.
Fürchten Sie denn nicht,
dass Sie sich damit Ihre eigene Konkurrenz
aufbauen? Natürlich wollen die Chinesen
immer so schnell wie möglich abkupfern. Bei uns
kommt es aber auf das Leitsystem an: Wenn eine
Anlage steht, kostet das 100 000 Franken am Tag.
Und unsere Elektronik lässt sich nicht so leicht
kopieren.
Sie haben mit dem
chinesischen Markt ja schon einige Erfahrung
gesammelt. Wir kamen 1987 erstmals an
eine Messe in Shanghai. Damals sagten wir uns:
Da öffnet sich eine grosse neue Welt. Sie
braucht zuerst Kommunikationswege, muss also
Strassen bauen, und das kann man mit unseren
Maschinen. Wir luden deshalb auch Leute vom
Innenministerium in die Schweiz ein, um ihnen
Brückenbauten zu zeigen. Daraus wurde allerdings
nichts: Wir hätten wohl schon damals in China
produzieren müssen. Seit 1995 bearbeiten wir
diesen Markt mit System. Inzwischen haben wir 70
Anlagen zur Asphaltaufbereitung verkauft, ein
Drittel der Strassen in Shanghai ist mit unseren
Maschinen gebaut worden.
Sie haben mit
dem chinesischen Markt ja schon einige Erfahrung
gesammelt. Und das ist erst der Anfang. Die Unternehmen von Swissmem haben 2002 in
China einen Umsatz von 1,5 Milliarden Franken
erzielt und dabei gegenüber dem Vorjahr um 23
Prozent zugelegt. Wir rechnen damit, dass die
Zuwachsraten in dieser Grössenordnung
bleiben.
Ist China also die letzte
Hoffnung für die Schweiz? Nein, die
letzte ist es nicht. Aber es ist ein riesiger
Öffnungsmarkt, in dem natürlich jeder dabei sein
will. Sonst arbeiten wir überall auf
Verdrängungsmärkten, die uns vor allem zur
Innovation zwingen. Es ist interessant, diese
beiden Ansätze zu kombinieren.
Dann
glauben Sie noch an eine Zukunft für den
Werkplatz Schweiz? Ja. Ich setze mich in
der Politik für die Deregulierung des
Binnenmarktes ein, damit die Kosten sinken und
die Schweizer Exportprodukte die
Wettbewerbsfähigkeit behalten. Denn wenn wir in
Langenthal nicht mehr bestehen könnten, dann
würde ich als Unternehmer lieber aufhören, als
nur in den Osten zu
gehen.
Die
Lufthansa, weiss die Schweizer Kolonie, verdient mit
ihren rund zwanzig wöchentlichen Flügen nach China Geld,
gleich wie die Swiss, bevor ihr Sars eine Ausrede bot.
«Noch in diesem Jahrzehnt», wettet denn auch ihr
Vorsitzender Jürgen Weber, «wird die Lufthansa täglich
mehr Passagiere nach China als nach New York
transportieren.» Aber die Swiss feuerte ihren
Asien-Chef, weil er für seine Strecken nach Beijing und
auch Delhi kämpfte – drei Tage vor William Meaney, der
für die Entscheide die Verantwortung trug.
Von
den Fluglinien einmal abgesehen, pflegt die
Schweizerische Eidgenossenschaft aber beste Beziehungen
zu China. Das stellt die Delegation gleich beim Besuch
bei Staatspräsident Hu Jintao fest, nachdem sie über die
abgesperrten Stadtautobahnen von Beijing zum
Tiananmen-Platz chauffiert worden ist, wo immer noch das
riesige Porträt von Mao prangt. Auch das neue
Staatsoberhaupt spricht die alten Verdienste der Schweiz
an: Als einer der ersten Staaten anerkannte sie schon
vor einem halben Jahrhundert die Volksrepublik;
Schindler gründete, als weltweite Sensation, das erste
Joint Venture mit einer chinesischen Firma, die
«Winterthur» erhielt als erste Versicherung eine Lizenz.
Mit Pascal Couchepin reist zum dritten Mal seit 1996 das
Staatsoberhaupt nach China, und die Besuche von
Micheline Calmy-Rey und Samuel Schmid im Frühling 2003,
trotz Sars-Panik, kamen bei den Chinesen gut an. Neben
den Nachbarländern, betont der Bundespräsident, tauscht
sich die Schweiz mit keinem anderen Staat so gerne
aus.
«Die Schweiz geniesst in China einen sehr
guten Ruf», weiss Uli Sigg, der 1980 den Deal für
Schindler einfädelte und von 1995 bis 1998 das Land als
Botschafter in Beijing vertrat (siehe «Unsere Männer in
China» auf Seite 91). «Alles, was wir als Klischee der
Schweiz betrachten, ist für die Chinesen völlig intakt.»
Sie glauben also noch an Verlässlichkeit, Vertragstreue
und Qualitätsdenken der Eidgenossen, bestätigt
UBS-Generaldirektor Urs Rinderknecht. «Unsere
Ausgangslage ist deshalb hervorragend», betont er. «Wir
machen es auch gut – besser als zu Hause.»
Seine
Bank, die ehemalige SBG, betrieb als Erste schon vor
dreissig Jahren Geschäfte in Renminbi («Geld des
Volkes»): «Das haben uns die Chinesen nie vergessen.»
Die UBS berät denn auch, von ihrem starken Sitz in
Hongkong aus, die chinesische Zentralbank, vor allem
beim gegenwärtig brisantesten Problem der Geopolitik:
der starren Anbindung der chinesischen Währung an den
Dollar, die zumindest gemäss dem Gezeter der Amerikaner
zur Unterbewertung des Renminbi führt und deshalb den
Chinesen beim Export angeblich unfaire Vorteile
verschafft.
Um 40 Prozent müsste China den
Renminbi aufwerten, um das Handelsbilanzdefizit der USA
von 120 Milliarden Dollar auszugleichen. Dazu wird es
trotz aller Wahlkampfrhetorik von George W. Bush nicht
kommen – schliesslich weisen Ökonomen nach, dass viele
US-Multis ihre Gewinne nur noch erzielen, weil sie
billig in China einkaufen, so Wal-Mart 70 Prozent der
Produkte. «Die Chinesen werden die Währung immer zu
ihren Gunsten kontrollieren, da können die Amerikaner
lange brüllen», weiss Urs Rinderknecht. Eine bessere
Lösung, an der Banken wie die UBS arbeiten, ist das
Anbinden des Renminbi an einen Währungskorb mit Dollar,
Euro, Yen und allenfalls sogar Franken. «Das zeigt die
Bedeutung unserer Handelsbeziehung», sagt der
UBS-Generaldirektor im Vorstand von Economiesuisse, «und
es zeigt auch, dass der Franken eine Zukunft
hat.»
Eitel Harmonie also? Nicht ganz: Mit
Schaudern erinnern sich die Beteiligten noch immer an
einen der peinlichsten Momente der schweizerischen
Aussenpolitik, 1999 beim Staatsbesuch Jiang Zemins.
Nicht nur wegen demonstrierender Tibeter am Bundesplatz
und angeblich defizitärer Geschichtskenntnisse von Ruth
Dreifuss drohte der ehemalige BBC-Ingenieur, der auch
seinen alten Arbeitsplatz in Birr besuchte, wutentbrannt
vom Staatsbankett wegzulaufen, sondern vor allem wegen
eines unverzeihlichen protokollarischen Affronts: Jiang
Zemin wurde an den falschen Sitzplatz geführt. In China
würde der Protokollchef dafür fristlos gefeuert, zürnte
das Staatsoberhaupt – die Schweizer schämten sich aber
nicht, sondern feierten die Bundespräsidentin für das
Schulmeistern ihrer Gäste. Die Eingeweihten wissen: «Die
Chinesen reden nicht mehr davon, aber sie vergessen es
auch nicht.» Ein Gespräch mit Jiang Zemin steht
nicht mehr auf dem Besuchsprogramm, angeblich wegen des
Protokolls, da er nur noch heimlicher Parteichef ist.
Pascal Couchepin sei doch auch heimlicher Parteichef,
wendet der Berichterstatter ein. FDP-Nationalrat Johann
Schneider-Ammann findet das lustig.
Das Image der
Schweiz in China sei sehr gut, hält ein vertraulicher
Bericht des Aussenministeriums ebenfalls fest, umgekehrt
gelte das allerdings leider nicht, vorwiegend wegen der
Fragen um die Menschenrechte. Nicht nur weil es die
Schweizer als Schulmeister der Welt von ihm erwarten,
spricht denn auch der Bundespräsident bei
Staatspräsident Hu Jintao und Regierungschef Wen Jiabao
an, was die Chinesen «difficult matters» nennen:
Immerhin bildet die Schweiz mit China zusammen
Gefängnispersonal aus und besteht bei jedem Memorandum
auf einer Klausel betreffend die Menschenrechte. Pascal
Couchepin weiss, dass die Staatsführung auf Grund der
traumatischen Erfahrungen in der jüngeren Geschichte und
der latenten Spannungen im Riesenreich nichts so
fürchtet wie das Chaos: «Denselben Horror haben wir
Schweizer ja auch – wir sind wohl die Chinesen Europas.»
Und als Liberaler meint er auch gegenüber den
Journalisten vor Ort, die nur über Verhaftungen von
Website-Betreibern sprechen mögen, der Markt werde für
mehr Freiheiten sorgen: «Was ist denn der Markt? Doch
die Verbreitung von Information! Der Markt wird die
Menschen daran gewöhnen, Entscheidungen zu
treffen.»
Dieser Markt zählt 1,3 Milliarden
Menschen, die von einem besseren Leben träumen, also
mögliche Konsumenten: Er verspricht allen gewaltige
Chancen, die ihn erobern. Nestlé beschäftigt denn auch
in China schon 10 000 Mitarbeiter in 21 Fabriken. Im
letzten Geschäftsjahr übersprang der Umsatz eine
Milliarde Franken – allerdings erst gut ein Prozent der
Verkäufe des Giganten. Novartis, mit einer
Produktionsanlage in Beijing, setzt 200 Millionen um:
Der chinesische Markt ist damit gegenwärtig Nummer zehn,
soll aber – da auch die Chinesen zunehmend an
Zivilisationskrankheiten wie Kreislaufproblemen oder
Krebs leiden – bis 2020 die Nummer eins werden.
Firmenich in Shanghai
Appetit auf Aromen Wie das
Genfer Unternehmen in China Fuss gefasst hat und
die Chinesen mit Aromen eindeckt.
Ein
Foto mit Couchepin in der Zeitung wäre ein Hit»,
sagt Richard Illi, «dann hätten wir ein Jahr
lang keine Probleme mit Personalwechseln mehr.»
Der Wunsch des Direktors für Produktion und
Logistik ging nicht in Erfüllung; dennoch wirkte
sich segensreich aus, dass der Bundespräsident
der Schweiz mit seinem Gefolge eine halbe Stunde
durch das neu erstellte Werk von Firmenich im
Industriegebiet von Shanghai eilte. Denn nur so
liess es sich zeitgerecht
eröffnen.
«Sobald der Besuch bestätigt
war, ging alles sehr schnell», stellt Richard
Illi fest. Ein Schweizer, der in China bauen
will, findet vertraute Verhältnisse vor: «Die
Baugesetze sind so schwierig, dass es fast
unmöglich ist, auf Anhieb alles richtig zu
machen.» Planungs-, Sicherheits- und
Umweltbehörden achten peinlich auf das Einhalten
aller Vorschriften: «In der Schweiz gibt es
zwei, drei Leute, die Sie kennen müssen. Hier
sind es zehn – und die wechseln.» Obwohl
Korruption in China ein Problem ist, lassen sich
die Beamten nicht kaufen und auch nicht drängen.
Eine Konkurrentin trat arrogant auf – statt im
Februar anfangen zu können, erhielt sie erst im
September eine temporäre Bewilligung: «Das ist
in einem solchen Markt eine Katastrophe», sagt
der Firmenich-Direktor.
Firmenich? Das
unbekannte Unternehmen ist mit 1600
Beschäftigten einer der grössten Arbeitgeber
Genfs und, nach der Schweizer Givaudan und der
amerikanischen International Flavors &
Fragrances (IFF), die drittgrösste Herstellerin
von Aromen und Parfums weltweit. Der Konzern
erzielte im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz
von 1,9 Milliarden Franken, führt aber in den
Unterlagen für China immer noch die Zahlen von
1999 auf. «Die Chinesen sind einfach 40 Prozent
Wachstum gewohnt», lacht Richard Illi, «auf
Details wie ein paar Millionen mehr oder weniger
kommt es ihnen nicht an.» Im Gegensatz zu den
Konkurrenten ist Firmenich nicht börsenkotiert,
sondern gehört der gleichnamigen Familie. Sie
wünscht Diskretion – und die Kunden
ohnehin.
Denn zu den wichtigsten
Geschäftspartnern zählen die grössten
Nahrungsmittelkonzerne der Welt, und diese mögen
den Konsumenten nicht verraten, wer ihre
Produkte appetitlich macht: Als bekannt wurde,
dass Givaudan Aromen an Coca-Cola liefert,
setzte es in Atlanta ein Donnerwetter ab. Diese
Giganten erobern China, deshalb genügten auch
die seit einem Jahrzehnt produzierenden Joint
Ventures von Firmenich in Suzhou (Parfums) und
Kunming (Aromen) nicht mehr. In Shanghai erwarb
das Unternehmen das Baurecht auf 50 000
Quadratmetern für fünfzig Jahre. Zusammen mit
den bisher noch geschlossenen dritten
Stockwerken und einer Reservefläche von weiteren
43 000 Quadratmetern lässt sich das Werk auf die
vierfache Kapazität ausbauen. Es wird nach Genf
und Princeton das drittgrösste von
Firmenich.
«Das wird unser
Referenzprojekt», sagt Richard Illi. Das Werk
ist auch in einer Architekturausstellung zu
sehen, die das Schweizer Konsulat im 49. Stock
des Bund Center veranstaltet, das mit seiner
Krone die Skyline von Shanghai prägt. Gebaut hat
der Stararchitekt Bernard Vichet strikt nach den
Regeln von Fengshui. Aber er pflegt nicht nur
chinesische, sondern auch eidgenössische
Eigenheiten: Die gediegenen Vitrinen für das
Product-Display haben die Form eines Schweizer
Kreuzes. Sonst ehrt Firmenich in China das
einheimische Schaffen. Sein gediegenes Chefbüro
sei für 1500 Franken eingerichtet, stellt
Richard Illi fest: «Wir werden in Zukunft auch
in dieser Hinsicht global denken – ich mache mir
Sorgen um die Schweizer
Büromöbelindustrie.»
Dagegen
kämpft Schindler darum, wieder den Anschluss zu finden:
Dank ihrem Joint Venture bekamen die Liftbauer aus
Ebikon in den stalinistischen Achtzigerjahren ihre
Aufträge vom staatlichen Planungsministerium. In den
kapitalistischen Neunzigern, trotz aufkommendem
Wettbewerb, verhielten sich aber die chinesischen
Partner wie einst so manche Schweizer Firma: «Wir sind
ein Produktionsunternehmen – wir brauchen keinen
Verkauf.» Von den fünf Werken betreibt Schindler deshalb
heute nur noch eines als Joint Venture: Die lokalen
Partner wehrten sich gegen den Auskauf, die
Zentralregierung förderte ihn.
Wie viel Geld man
verdienen kann, wenn man die echten Bedürfnisse entdeckt
und befriedigt, zeigt Ringier: Der Verlag gibt nicht nur
Inflight-Magazine für die chinesischen Airlines und
Ausgehführer für Beijing und Shanghai heraus, sondern
bringt mit «Betty’s Kitchen», Betty Bossi auf
Chinesisch, den Einheimischen das Kochen bei.
Die
Spülsysteme unter Putz von Geberit wollen sich die
Erbauer der aus dem Boden schiessenden Hochhäuser zwar
noch nicht leisten: «Die Chinesen sparen gern», weiss
Felix Aepli, der CEO Asia Pacific. Er freut sich
immerhin über einen Auftrag für 800 Villen in Beijing,
während er die Beliebtheit der Technik aus Jona bei den
einheimischen Konkurrenten weniger schätzt: «Sie
schneiden Bildli aus unseren Katalogen aus», stellt er
fest. Und die Wettbewerber liefern dann auch, was sie
versprochen haben: «Sie werden verdammt gut.» Denn in
Fragen des geistigen Eigentums haben Asiaten eine laxe
Haltung, wie Uli Sigg erklärt: «Bei ihnen gilt es als
Zeichen von Dummheit, viel Gehirnschmalz zum Erfinden
von etwas aufzuwenden, das es schon gibt.»
Der
ehemalige Chef von ABB China, Rolf Schaumann, der schon
drei Jahre nach seiner Rückkehr in die Schweiz seine
Strasse in Beijing kaum wiedererkennt, schwärmt von den
Zahlen der Landesgesellschaft: Mit ihren 1,5 Milliarden
Dollar Umsatz, erarbeitet von 6500 Beschäftigten, ist
sie Klassenbeste weltweit. Vor acht Jahren musste sein
Vorgänger als Chef von ABB Schweiz, Alois Sonnenmoser,
noch darum kämpfen, mit Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz
nach China mitreisen zu dürfen. Als die Delegation aus
dem Flughafen Shanghai kam, empfing sie ein riesiges
Plakat: ABB. Denn der Elektrokonzern betreibt das
grösste Geschäft in China, vor allem dank dem
Drei-Schluchten-Projekt. 25 Milliarden Dollar kostet das
gigantische Wasserkraftwerk, das seit 1993 und noch bis
2009 gebaut wird. Mehr als eine Milliarde davon geht an
ABB, darunter ein Auftrag von 112 Millionen für die
Hochspannungs-Schaltanlage ausschliesslich an ABB
Schweiz. Dagegen kommt der Konzern, wie Rolf Schaumann
klagt, kaum auf den «richtigen chinesischen Markt», denn
die Einheimischen schotten ihn mit ihrer eigenen
Zertifizierung ab. Das machten die Schweizer ja auch,
wendet ein Journalist ein. «Ja», sagt der
Bundespräsident, «doch das ist ein
Staatsgeheimnis.»
Was aber, wenn die chinesischen
Spitzeningenieure nicht nur ihr Land unter Strom setzen,
sondern ihre Produkte weltweit exportieren? Bedrohen sie
dann den Werkplatz Schweiz? Walter Gränicher, Präsident
von Alstom Schweiz, fürchtet sich noch nicht. Sein
Unternehmen, die ehemalige Kraftwerkbau-Sparte von ABB,
arbeitet auch am Drei-Schluchten-Projekt, und er weiss:
«Jährlich kommt in China das Dreifache der installierten
Leistung der Schweiz dazu.»
Peter Leupp, der Chef
von ABB China, weist darauf hin, dass er für eine halbe
Milliarde Dollar die Erzeugnisse von anderen
Gesellschaften beziehen muss, so auch Halbleiter aus
Lenzburg, Schaltanlagen aus Zürich oder Antriebe aus
Dättwil: «Diese Produkte werden wir wohl nie in China
lokal herstellen.» Denn der Automatisierungsgrad,
beispielsweise beim Herstellen von Turbinenschaufeln in
Birr, lässt sich kaum mehr weiter verbessern, wie Walter
Gränicher betont: «Die Chinesen holen auf, aber nicht
bis übermorgen.»
Wer nur die 1,3 Milliarden
potenziellen Konsumenten sieht, muss sich allerdings auf
den Boden zurückholen lassen. Er habe schon manchen
Schweizer Unternehmern geraten, sich zuerst auf die
Märkte der Nachbarländer zu wagen, sagt Uli Sigg: «Sie
müssten ein Vielfaches der Ressourcen bereitstellen, um
in China einen tauglichen Versuch zu machen. Mit zwei
Flugtickets und drei Hotelnächten lässt sich dieser
Markt nicht erschliessen.» Er ist riesig und trotz
einheitlicher Sprache, Währung und Zeitzone höchst
vielfältig.
Im Winter schlottern die Menschen im
Norden bei dreissig Grad minus und schwitzen im Süden
bei zwanzig Grad plus, weiss Erwin Lüthi vom Swiss
Business Hub in Beijing: «Ihr Vertreter in Lappland
bedient auch nicht Sizilien.» Selbst die Gigantin Nestlé
führt deshalb ihre Glace vorerst nur in Tianjin, der
Nachbarstadt von Beijing, ein.
Wie verschieden
die Geschmäcker sind, erlebt der Bundespräsident mit
seinem Gefolge vier Flugstunden westlich in Dunhuang,
einer Oase an der Seidenstrasse in der Wüste Gobi. Auf
dem Banketttisch stehen hier, zwischen einem Dutzend
weiterer Gänge, gesottene Kamelfüsse, appetitlich in
einem Ring aus geschlagenem Eiweiss angerichtet:
«Wüsten-Gnagi», wie ein Journalist meint. In der Provinz
Gansu suchen Schafe entlang den Strassen nach Gräsern
und decken die Menschen ihre Hütten mit Ästen; dass die
Staatsführung den Westen nicht vernachlässigen will,
verraten nur Flugplätze, Autobahnen und Plakate von
China Telecom an Lehmhütten. Das Volkseinkommen pro Kopf
beträgt 2000 Franken im Jahr, jenes der Bauern ein
Fünftel davon.
Die Schweiz leistet hier
Entwicklungszusammenarbeit, eine Hilfe, welche die
Chinesen zu schätzen wissen. Als der Konvoi, mit
Schweizer Kreuz geschmückt, in der Provinzhauptstadt
Lanzhou einfährt, stehen die Einheimischen winkend am
Strassenrand. Und Pascal Couchepin freut sich über seine
Popularität fern der Heimat: «C’est comme l’arrivée du
Tour de France.»
Swiss-Chinese Chamber of
Commerce
Das Spiel der Beziehungen Wie Christian Gürtler in China hängen blieb
und für die Schweizer Wirtschaft Türen
öffnet.
Als er sich 1988 beim
Fitnesstraining in Singapur in eine chinesische
Schönheit verliebte, entschied sich, was
Christian Gürtler heute macht: Er baute für
Sandoz und SKW das Bauchemie-Geschäft in China
auf; er gründete den Schweizer Verein in
Shanghai; er führt die Swiss-Chinese Chamber of
Commerce in China; er lieferte bis vor einem
Jahr als Zuständiger für Asien bei der deutschen
Degussa die Zusatzstoffe für ein Drittel des
Betons, der sich in Shanghai nicht übersehen
lässt. «Das ist mein USP», sagt der erfolgreiche
Manager: «Mein Track-Record in einem sehr
schwierigen Markt, mein kulturelles
Einfühlungsvermögen, meine
Beziehungen.»
Vor fünfzehn Jahren
arbeitete er bei «einer Art interner
Unternehmungsberatung» von Sandoz in aller Welt,
auch – und nach der Begegnung im Fitnesscenter
immer öfter – in Singapur. Und mit der Frau
zusammen fand er sich plötzlich auf einem
Pressebild wieder: Sie genoss als
Filmschauspielerin bei den Chinesen Starruhm. In
Zürich, wo Gürtler als Europa-Finanzchef der
Sandoz-Tochter Master Builder Technologies (MBT)
arbeitete, wusste niemand etwas über die
Qualitäten von Zhong Yaling Gürtler. Deshalb
freute sich ihr Ehemann, als er 1994 als
Geschäftsführer von MBT nach China gehen
konnte.
«Mein Traumjob», sagt er, «weit
weg von den Chefs musste ich das Vertrauen
unseres chinesischen Partners gewinnen: Dabei
räumte mir meine Frau alle Fettnäpfe weg.» Er
geniesse jetzt die Reputation, lächelt Gürtler,
er verstehe die chinesischen Geschäftspartner,
wisse ihre Mimik, ihre Gestik, ihr Verhalten zu
deuten. Inzwischen führt er Verhandlungen nur
noch mit einfachen Dolmetschern – ganz allein
wagt er es auch nach zehn Jahren noch
nicht.
Bei Amtsantritt stand der von der
japanischen Sandoz-Tochter aufgebaute Betrieb
zwei Stunden ausserhalb von Shanghai inmitten
von Reisfeldern: «Heute ist alles überbaut, rund
herum sind Sulzer, Wander, Coca-Cola.» Als erste
Amtshandlung schaffte Gürtler das von den
Japanern eingeführte Frühturnen ab, das die
Chinesen hassten. Und er fand auch zu den
einheimischen Partnern und Kunden einen guten
Draht. Dank einem neuen verbündeten
Staatsbetrieb in einem Joint Venture, das im
Gegensatz zu anderen wirklich etwas brachte,
eröffnete sich ihm der Markt für
Infrastrukturprojekte: «In Shanghai herrscht bei
42 Wettbewerbern nur für Betonzusatzmittel ein
mörderischer Kampf – wir konnten die
ausländische Konkurrenz ein für alle Mal aus dem
Markt werfen.»
Nachdem Sandoz nach der
Fusion mit Ciba-Geigy MBT an die deutsche SKW
Trostberg verkauft hatte und deren Mutter Viag
nicht mit der Alusuisse zusammengekommen war,
landete der Geschäftsbereich nach der Fusion von
Viag und Veba in der neuen Degussa. Damit wuchs
auch Gürtlers Verantwortung: Geschäftsführer,
Country Manager, Senior Vice President
Asia/Pacific. Seit Mitte 2002 steht er Degussa
als Senior Advisor Asia/Pacific zur
Verfügung.
Er könnte sich auch
vorstellen, in die Schweiz zurückzukehren, wo
seine Frau edle Accessoires aus Seide vertreibt
und wohin er seine beiden Kinder ins Wölflilager
schickt: «Ich habe zwei Seelen in der Brust. Die
Schweiz ist meine Heimat und China mein
Zuhause.» Er möchte seine Beziehungen in und zu
China auf jeden Fall weiter pflegen, besonders
auch, nachdem der Bundespräsident ihm und der
gesamten SwissCham China ein Gesicht gegeben
hat. «Couchepin hat eine Lanze für uns
gebrochen, indem er die Vertreter der
Handelskammer erstmals als vollwertige
Mitglieder in die Delegation aufnahm», sagt
Gürtler. «Nach dem Staatsbankett und den
Empfängen stehen wir auf allen Listen: Wenn die
Chinesen merken, dass die Schweizer uns
akzeptieren, dann akzeptieren sie uns
auch.»
Dass
sich die Schweiz gerade in der Provinz Gansu engagiert,
dürfte ihr Image bei der neuen Führung in Beijing noch
verbessern, denn sowohl der Staatspräsident als auch der
Regierungschef verbrachten entscheidende Jahre hier. Hu
Jintao meldete sich 1966 während der Kulturrevolution
freiwillig zu einem Dammbauprojekt und schlug da seine
steile Funktionärslaufbahn ein, die ihn schliesslich zum
Schützling des Wirtschaftsreformers Deng Xiaoping
machte; Wen Jiabao arbeitete als Geologe in der
rohstoffreichen Provinz.
Gansu hat die zehnfache
Fläche der Schweiz, aber eine ähnliche Geografie mit 70
Prozent unfruchtbarem Gebirge und ein ähnliches
ethnisches Problem bei 38 Nationalitäten und starken
Minderheiten wie Kasachen, Mongolen und Tibetern. Und
was Wen Jiabao sagt, könnte auch von einem Schweizer
Volkswirtschaftsminister im Wahlkampf stammen: «Die
Landwirtschaft und die ländlichen Regionen allgemein
sollen die wichtigste unter den wichtigen Fragen sein.»
Die Schweiz hilft aber nicht bei der Ausbildung von
Subventionsempfängern, sondern von Staatsmanagern. Im
Kaderausbildungszentrum der Provinzpartei, das mit der
Fachhochschule Solothurn zusammenarbeitet, findet sich
PCPC auf dem PC wieder – als
Bildschirmschoner.
Aus der Steppe, wo die Bauern
Peperoni in Treibhäusern aus Lehm und Plastikfolien
ziehen, fliegt die Schweizer Delegation drei Stunden in
den Dschungel von Shanghai: in die Weltstadt des 21.
Jahrhunderts, einen exaltierten Mix aus London, Los
Angeles und Las Vegas. Bei den Staatsempfängen in
Beijing fühlten sich die Wirtschaftsvertreter wie
Hofschranzen aus dem 19. Jahrhundert; ihre Anliegen
verpufften vermeintlich, in diplomatische Watte
verpackt. In Shanghai geht es nur ums Business: Hier
sitzt ein Drittel der 580 Schweizer Unternehmen in
China, die Importe der Region aus der Schweiz nahmen in
den letzten zwei Jahren um je 40 Prozent auf mehr als
800 Millionen Dollar zu. Und die Wirtschaftsleute
stellen fest, dass ihnen die ausgezeichneten politischen
Beziehungen durchaus nützen.
Thomas Wagner, als
ehemaliger Stadtpräsident und Stadtrat von Zürich in der
chinesischen Kunst der Konfliktvermeidung erfahren,
setzt sich hier für ein Projekt mit zwölf
Wasserkraftwerken ein. Und schon in Beijing öffnete er
Türen für Burckhardt + Partner: Ohne je in China gewesen
zu sein, gewannen die Zürcher Architekten via Internet
den Wettbewerb für das Sport- und Kulturzentrum
Wukesong, das die Chinesen – wie das Stadion von Herzog
& de Meuron – für die Olympischen Spiele 2008
erstellen. Die privaten Investoren drohen sie aber aus
dem Projekt zu drängen; Thomas Wagner mit seinen
vielfältigen Kontakten wehrt sich deshalb für die
Interessen der Schweizer. «Man findet immer einen Weg»,
sagt er nach einem Gespräch mit dem chinesischen
Chefarchitekten, bei dem er auch diskret auf die
Unterredung mit dem Staatspräsidenten
verwies.
Der Besuch des Bundespräsidenten sorgt
dafür, dass sich das neue Werk des Genfer
Aromenherstellers Firmenich in Shanghai zeitgerecht
eröffnen lässt (siehe «Appetit auf Aromen» auf Seite
87). Und dafür, dass die Einweihung des Swiss Center,
samt Alphorn und «Ranz des vaches», auch in die
einheimische Presse kommt. Die Deutschen klotzten ihr
German Center für 150 Millionen Dollar hin, ihre
Handelskammer beschäftigt 80 Leute. Die Schweizer mieten
sich bescheiden im Xinzhuang-Industriepark ein, und ihre
Handelskammer arbeitet ehrenamtlich: «Wir wollen keine
Subventionen», sagt Christian Gürtler, «aber wir wollen
Akzeptanz.»
Der Bundespräsident anerkennt die
Leistungen seiner Landsleute. Er nimmt als erstes
Staatsoberhaupt die Vertreter der Handelskammer in seine
offizielle Delegation auf, was ihnen die Akzeptanz bei
den Chinesen verschafft (siehe «Das Spiel der
Beziehungen» auf Seite 89). Und er hört sich, bevor er
sich zum Einkaufen von Geschenken auf dem Bund, der
Haupteinkaufspromenade, davonstiehlt, auch ihre Anliegen
an. Insbesondere ihre Klagen über das wenig harmonische
Verhältnis mit der staatlichen Exportförderin Osec,
welche die Swiss Business Hubs in Beijing und Shanghai
betreibt. Sie konkurrenziere private Anbieter, sagen die
Vertreter der Handelskammer, und der abtretende
Osec-Chef führte sich nicht eben kooperativ ein: «Balz
Hösly flog mit einer unglaublichen Arroganz ein und
kanzelte uns ab wie Schulbuben.»
Dabei liesse
sich von den Schweizern in Shanghai viel lernen. Mit
zehn Unternehmen auf 15 000 Quadratmetern vermieteter
Fläche ist das Swiss Center der grösste Cluster von
schweizerischen Firmen im Riesenland. In diesem
geschützten Rahmen bekommen auch KMUs die Chance, sich
auf den chinesischen Markt zu wagen. Und vor allem
erfahren sie, was in China über den Erfolg entscheidet:
Guanxi, das Spiel der Beziehungen. In dieser Hinsicht
bringen die Schweizer viel Erfahrung mit. «Es ist hier
wie bei uns zu Hause: Man muss die Leute in seinem Dorf
kennen», weiss Philippe Zwahlen, General Manager des
Swiss Center. «Das Dorf sieht einfach ein bisschen gross
aus.»
An erfolgreichen Vorbildern mangelt es
nicht: Valsider aus Yverdon, die hier das Wolframkarbid
für ihre Messer und Klingen zum Schneiden von
Zigaretten-filtern oder Windelhöschen beschafft. Lauener
aus Boudry, die Präzisionsteile für die
Telekom-Industrie dreht, mit einem Return on Investment
von 20 Prozent. Oder Kuk Electronic aus Appenzell, die
2,5 Millionen Dollar in ihre Produktion von Mikrospulen
für Autos oder Medizinaltechnik investiert. «Der
entsprechende Betrag für Nestlé», wissen die
Verantwortlichen des Swiss Center, «wäre sieben
Milliarden.» Denn wie die anderen Unternehmer glauben
die Appenzeller daran, was Uli Sigg sagt: «In China ist
alles möglich – und das Gegenteil.»
PCPC fliegt
über Paris zurück, übrigens Business-Class. Der
Berichterstatter folgt einen Tag später via
München:
13 Stunden Nachtflug über die Wüste
Gobi, Kasachstan, den Kaukasus, dann zwei Stunden
Aufenthalt im Münchner Morgengrauen, schliesslich noch
eine knappe Stunde Warten auf der Rollbahn, weil der
Nebel in Zürich angeblich keine Landung
zulässt.
Vor dem Abflug besucht der Journalist im
erst vor einem Jahr eröffneten Luxushotel Westin, wo die
Schweizer Delegation nächtigte, den Wellnessbereich. Wie
auch die Bäder in den Zimmern, wo sich in einem
Granitblock an der Fensterfront mit spektakulärem
Ausblick auf die Skyline planschen lässt, verdankt das
Wellnesszentrum seine schlichte Schönheit den Valser
Thermen von Peter Zumthor, die eifrige chinesische
Studenten in der Ausstellung von Schweizer Architektur
im angebauten Bund Center besichtigen.
Wohlig
entspannt danach in der grosszügigen Lounge beim
Tsingtao-Bier, das besser schmeckt als das
allgegenwärtige Heineken. Fliessende Regenbogenfarben
und stumm flimmernde Bildschirme mit CNN, CNBC und MTV
über der Theke, dahinter eine elfenhafte Barkeeperin,
wie viele Chinesen wohl zehn Jahre älter, als sie
aussieht. So lässt sich am besten über Geopolitik
sinnieren. Was ist, wenn das 21. Jahrhundert tatsächlich
das Jahrhundert der Chinesen wird? Es ist nicht das
Schlechteste, was der Welt passieren kann.
«Betty’s Kitchen» Plattform für
Nestlé und Unilever
Geschnetzeltes mit Pilzen, in
der Schale appetitlich angerichtet, begrüsst den
Besucher auf der Website www.bettyskitchen.com.cn. Wer
die chinesischen Schriftzeichen nicht beherrscht, fühlt
sich allerdings in Bettys Küche völlig fremd, abgesehen
von einer vertrauten gelben Büchse – unverkennbar ein
Aromat-Streuer: Hier kocht Betty Bossi in den Diensten
von Ringier.
«Dies ist eine Nation, die das Essen
liebt», sagt Tim Murray, General Manager von Beijing
Ringier International. Betty zeigt, wie Kochen geht. Und
zwar multimedial, mit einem Kochmagazin, mit einer
Buchreihe, einem Kochkurs, der Website samt Klub,
Betty’s Kitchen Radio und ab 2004 auch Betty’s Kitchen
TV. «Kein anderer Brand ist so breit aufgestellt»,
betont Tim Murray. Und deshalb bietet sein Unternehmen
auch die ideale Plattform für Nestlé, Unilever und
andere Giganten, welche die Chinesen mit ihren
Erzeugnissen auf den Geschmack bringen wollen: «Wir
machen ihre unbekannten Produkte
bekannt.»
Ringier gibt auch Ausgehmagazine für
Beijing und Shanghai sowie Reisebücher heraus,
einzigartig ist der Verlag mit seinem Kochkurs: «Bei
News- oder Businessmagazinen muss man am Kiosk die
Nummer eins sein», weiss Tim Murray, «zum Kochen gibt es
sonst nichts.» Das Magazin, im September 2002 lanciert,
entwickelt sich prächtig. 200 000 Exemplare kommen in
den Verkauf, monatlich über 5000 mehr, und die Kurve
sollte bald exponentiell hochgehen.
Warum hat
sich gerade Ringier dieses Geschäft geschnappt? Die
börsenkotierten US-Konzerne müssten mit Restriktionen
leben, glaubt Tim Murray, ein Familienunternehmen könne
sich in den Emerging Markets viel wendiger bewegen. Er
hat eine Ahnung, wo das alles hinführe: In der Schweiz
kommt «Betty Bossi» auf eine Auflage von einer knappen
Million – «wohl ein Weltrekord, was die Abdeckung
angeht». China hat 1,3 Milliarden Konsumenten:
Rechne!
Die Lobbyisten Unsere Männer
in China
Uli Sigg gilt als Botschafter der
Schweiz in China, seit er 1980 für Schindler das erste
Joint Venture mit einer einheimischen Firma überhaupt
einging. Von 1995 bis 1999 liess er sich in der
Botschaft in Beijing in die Dienste der
Eidgenossenschaft nehmen. Dabei beriet er viele
Unternehmer: So erklärte er einem Shampoo-Fabrikanten
die Platzverhältnisse in chinesischen Badezimmern. Als
Verwaltungsrat stiess er bei Ringier den Boom mit Betty
Bossi auf Chinesisch an und brachte die
Werbevermarkterin Infront mit der chinesischen
Fussballliga ins Geschäft. Daneben sammelt er
chinesische Kunst und sucht als Investor Gelegenheiten
bei Privatisierungen, die «spontan, nicht wahnsinnig
strukturiert» ablaufen.
Thomas Wagner kennt nach
eigenem Bekunden China dank mehr als vierzig Besuchen
besser als das Wallis. Der ehemalige Stadtpräsident von
Zürich pflegte auch nach seiner Abwahl die
Städtepartnerschaft mit Kunming. Und er nutzt nach
seinem Rücktritt aus dem Stadtrat sein weit gespanntes
Beziehungsnetz als Türöffner: «Ich muss mich nur daran
gewöhnen, Rechnungen zu schreiben.» Seine Kontakte
verhalfen Kaba zu einem Auftrag, für sechs Provinzen
fälschungssichere Fahrausweise mit Chip zu liefern.
Daneben lobbyiert der Präsident der Gesellschaft
Schweiz–China für das Sport- und Kulturzentrum Wukesong
in Beijing, bei dem die Zürcher Architekten Burckhardt +
Partner den Wettbewerb, aber noch nicht den Bauauftrag
gewannen.
Gérald Béroud baute als Soziologe die
Schweizerische Fachstelle für Alkoholfragen in Lausanne
auf und betrieb danach auch Forschung zum durchaus weit
verbreiteten Drogenproblem in China. Als Sinologe, der
fliessend Chinesisch – und auch Schweizerdeutsch –
spricht, bietet er inzwischen mit Sinoptic (siehe unten)
«services et études du monde chinois» an. Zu seinen
Kunden gehören KMUs im Swiss Center Shanghai, wo er
ebenfalls ein Büro betreibt. Aber er übersetzt auch
Beschriftungen für Caran d’Ache, gestaltete eine
Flash-Animation samt chinesischen Schriftzeichen für
Hermès-Uhren oder suchte für einen Eissegler aus dem
Vallée de Joux Informationen über schnell zufrierende
Seen in der Inneren Mongolei.
Die
Kontaktstellen Unsere Adressen in
China
Informationen und Kontakte zum Geschäft mit
China erhalten Sie an diesen Adressen:
Swiss
Business Hub China c/o Embassy of
Switzerland Sanlitun Dongwujie 3 Beijing 100600,
P.R. China http://www.osec.ch/
Swiss
Business Hub China c/o Consulate General of
Switzerland 22F, Building A, Far East
International Plaza, No. 319 Xianxia
Road Shanghai 200051, P.R. China sbhchina@bei.rep.admin.ch,
http://www.osec.ch/